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Herzliche Ostergrüsse

2011 April 27
von Rolf Thumm

das war nicht die Überschrift der neuen Gehaltsmitteilung von meinem Arbeitgeber. Sondern zum zweiten Mal in Monatsfrist senkte die Evangelische Kirche im Rheinland mein Pfarrergehalt um 25 %. Und diese Mitteilung traf pünktlich am Karsamstag sozusagen als Ostergeschenk ein. Damit sind wir bei 50 % des früheren Gehalts angelangt. Niemand erklärt uns freilich, wie wir damit leben können. Am 1. Februar 1977, vor 40 Jahren also, bin ich in den Dienst der Evangelischen Kirche eingetreten. Nach 40 Dienstjahren werden Paragraphen gegen uns in Anwendung gebracht, die mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, werden Maßnahmen gegen uns ergriffen, die vor keinem Arbeitsgericht Bestand hätten. Aber Kirche macht´s möglich. Sie hat ein eigenes Recht, sie ist Staat im Staate mit einem Steueraufkommen von 4,5 Milliarden Euro und sehr mit dessen Verwaltung beschäftigt.

Kirche gnadenlos“, war die Reaktion eines Freundes, als er von unserem Osterdesaster erfuhr. Vielleicht versucht man uns gezielt in die Insolvenz zu treiben. Nach den Angriffen der Kirchengemeinde auf unsere Vermögenslage mittels Verweigerung von Zahlungen wie die Fahrtkosten für 2009, wie Verweigerung des Ausgleichs für unsere großen Vermögensverluste im Schimmelhaus Pfarrhaus Stiftstrasse, – von Gesundheitsschäden ganz zu schweigen -, wie Verweigerung der Nachzahlung der Nebenkosten für die Diensträume im ehemaligen Pfarrhaus, konnte man schon den Verdacht hegen, dass solche Bestrebungen im Gange sind. Wenn aber auch noch teure Prozesse gegen uns geführt werden – der Kirchensteuerzahler finanziert diesen Privatkrieg, den einige Presbyter gegen uns führen – , erhärtet sich der Verdacht und wird zur Gewissheit.

Nun steigt auch die Landeskirche in diesen Wirtschaftskrieg ein. Die Verfahrenskosten und Anwaltsgebühren im Zusammenhang mit den Klagen, mit denen wir uns gegen den Abberufungsbeschluss, gegen die Beurlaubung, gegen das Disziplinarverfahren wegen der Konfirmation 2010, wehren mussten, sind immens. Die Zurückstufungen unseres Gehalts werden uns in heftige Untiefen bringen.

Aber es gab Ostern. Der Rebell Gottes hat gesiegt. Er ist aufgestanden, auferstanden aus dem Nichts, in das er gestoßen worden war. Und wenn wir uns umsehen in der Welt, entdecken wir viel Österliches. Wir sehen Menschen, die aufstehen in den arabischen Ländern, Menschen, die aufstehen und für Änderungen kämpfen in der katholischen Kirche. Wir trafen in Fulda Pfarrer und andere Theologen, die meisten darunter haben in ganz verschiedenen Landeskirchen ein ähnliches Schicksal durchgemacht, wie wir es zurzeit durchleiden. Diese Kolleginnen und Kollegen schlossen sich nach dieser Erfahrung zu der „Melsunger Initiative“ zusammen und kämpfen dagegen, dass Menschen nach ihnen das gleiche Schicksal durchmachen müssen wie sie. Sie kämpfen gegen Paragraphen, die unmenschlich sind. Wir haben gelernt, dass im 3. Reich diese Paragraphen geschaffen wurden, um Pfarrer, die sich nicht eindeutig und vorbehaltlos zu Adolf Hitler bekannten, geräuschlos aus dem Amt entfernen zu können. Dieselben Paragraphen finden heute in der Kirche Anwendung. Nachdem alle ordentlichen Gerichte bis hin zum Bundesverwaltungsgericht in Karlsruhe die Annahme von Klagen gegen diese kirchlichen Rechtsverletzungen mit Berufung auf das eigene Recht der Kirche verweigert haben, liegt unsere Hoffnung auf dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der hoffentlich die Wende und damit Gerechtigkeit erzwingen wird.

Wenn heute hohe Kirchenvertreter sich im öffentlichen Diskurs mahnend einbringen mit ihrem Ruf nach mehr sozialer Gerechtigkeit, dann klingt das für Menschen in der Kirche, die unter offensichtlicher gnadenloser sozialer Ungerechtigkeit leiden, hohl und leer.

Alle Mitstreiter und Weggenossen grüssen wir mit herzlichen Ostergrüssen und bekennen uns mit ihnen zusammen zum aufrechten Gang in schwierigen Zeiten.

Angela und Rolf Thumm

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