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Farbenprächtiges Lichtspiel aus Palermo

2006 Dezember 16
von admin

Erschienen am 16.12.06 im Kölner Stadtanzeiger
Von HOLGER KLEIN

Eitorf – Eitorfs evangelische Kirche investiert einen sechstelligen Betrag in Fensterkunst. Das Gebäude wird durch Werke von Michele Canzoneri aufgewertet. Zwei Jahre dauerte die Herstellung. Vom Ergebnis der Arbeit von Michele Canzoneri sind Rolf Thumm (l.) und Giovanne Vetere (r.) begeistert.

Bilder: Holger Klein

Bilder: Holger Klein

Gründlich renoviert und versehen mit einem neuen Altarbereich, gestaltet von Giovanni Vetere, war die Kirche an der Bahnhofstraße aus dem Brandschutt wieder auferstanden. Nun werden die provisorischen Fenster durch Kunstwerke ersetzt, die Michele Canzoneri aus Palermo liefert.

Die Vorzeichen für den ersten Besuch des Maestros vor über einem Jahr waren nicht die günstigsten. Mit dem Zug am Kölner Hauptbahnhof angekommen, konnte niemand dem italienischen Künstler sagen, wie man nach Eitorf gelangt. „Hol mich hier ab“, bat er seinen Eitorfer Landsmann Giovanni Vetere, der sich sofort auf den Weg machte, den Besucher an die obere Sieg zu holen.

In Eitorf angekommen, die nächste Überraschung: Die evangelische Kirche, für die der Glaskünstler neue Fenster fertigen sollte, lag noch in Trümmern. Ein verheerender Brand hatte das Gotteshaus im Dezember 2002 zerstört. Pfarrer Rolf Thumm bekam unter diesen Voraussetzungen im Gespräch mit dem Glasexperten, der schon für Mailänder Scala und sogar den Vatikan arbeitete, fast Minderwertigkeitskomplexe. „Wird ein großer Künstler wie sie überhaupt für eine so kleine Kirche so weit draußen auf dem Land arbeiten“, fragte der Pfarrer – und erhielt eine beeindruckende Antwort: „Eine Kirche ist immer groß“, sagte Canzoneri und machte sich an die Arbeit.

Gestern nun wurde das erste von sechs großen und einem kleinen Kirchenfenster geliefert. Um 6.30 Uhr stand ein Lieferwagen aus dem sizilianischen Palermo vor der Tür des Eitorfer Gotteshauses. Als die Arbeiter das erste Fenster ausgepackt hatten, stockte Thumm wie Vetere fast der Atem. Obwohl noch Folie den Lichteinfall ein wenig bremste, war das durch das Fenster ausgelöste Farbenspiel erkennbar. „Wir waren überwältigt“, schildert der Pfarrer die Gefühlslage. Das zweigeteilte Fenster ist 5,60 Meter hoch und 1,50 Meter breit und wiegt zusammen über 400 Kilogramm. Vier Männer und allerlei technische Hilfen waren nötig, um das gerahmte Glas an seinen Platz zu wuchten. Das Kunstwerk wird von beiden Seiten von Acryl geschützt, in seinem Inneren lassen Glaselemente wie farbige Röhren und mundgeblasene Fäden („Engelshaar“) sowie Hohlräume „das einfallende Licht explodieren“, beschreibt Thumm begeistert.

Allein ein kleines Ausstellungsstück, das Canzoneri vor einigen Monaten an ein Kirchenfenster lehnte, habe für wunderbare Lichteffekte gesorgt. „Eine Braut saß in ihrem weißen Kleid vor dem Altar und war plötzlich in herrliche Farben getaucht, als die Sonne durch das Ausstellungsstück schien“, erzählt der Pfarrer. Solche Kunstwerke sind nicht gerade preiswert zu haben, und so investiert die Kirchengemeinde einen Betrag im sechsstelligen Bereich. Von rund 160 000 Euro für alle Fenster ist die Rede.

Auferstehung

Es sei eine Investition für viele, viele Jahrzehnte, sagt Thumm, der sich zusammen mit seinem Presbyterium fast zwei Jahre Zeit gelassen hatte, ehe er im Sommer 2004 den Auftrag nach Sizilien vergab. Spender helfen bei der Finanzierung des Kirchenkunstwerks.

Es sei „ernüchternd“ gewesen, wie lieblos andere Glaskünstler mit der Vorgabe umgegangen seien, die Themen Schöpfung, Auferstehung, Verklärung Jesu, Jakobs Traum, Geheimnis des Glaubens, das Gesetz Gottes und die Auferstehung darzustellen.

Der Kontakt zu Canzoneri war eher zufällig entstanden. Eine Gruppe Eitorfer besuchte während einer Bildungsreise durch Sizilien die Kathedrale in Cefalú – und war ob der Farbenpracht der von Canzoneri in 16-jähriger Arbeit gefertigten Kirchenfenster völlig aus dem Häuschen. Wieder Zuhause angekommen, berichteten sie Pfarrer Thumm von ihren Erlebnissen, der sich daraufhin erst im Internet über den Künstler schlau machte und ihn dann persönlich in Sizilien traf. Mittlerweile ist zwischen Pfarrer und Künstler eine echte Freundschaft entstanden. „Es ist eine große Freude, sich mit ihm über die Religion auszutauschen.“ Für diese Gespräche hat Thumm nun wieder Gelegenheit, denn im Laufe des heutigen Tages will Canzoneri in Eitorf eintreffen.

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